Am 30. September 2022 feierte "Wien's Anatomy" von Karen Breece im Rahmen der V°T Bezirke Premiere im VZ Brigittenau. In ihrer ersten Arbeit für Österreich nimmt die Regisseurin und Autorin das heimische Gesundheitssystem kritisch unter die Lupe. Auf der Bühne wird dies dargeboten von SchauspielerInnen, aber auch ExpertInnen des Alltags.
Chronische Erschöpfung
Ausgangspunkt für dieses Stück sind Virusinfektionen, wie Covid-19 oder das Pfeiffersche Drüsenfieber. Auch wenn der Verlauf womöglich relativ komplikationslos war, können Symptome nach der Genesung erneut auftreten. Erst zahlreiche Besuche bei den unterschiedlichsten ÄrztInnen später kommt die Diagnose, nämlich das chronische Erschöpfungssyndrom, kurz ME/CSF. Es ist eine Krankheit, die zwar benannt, aber wegen kaum vorhandener Forschung schwer behandelt werden kann.
Aus dem Leben
Im Vorfeld hat Karen Breece aufwendige Recherchen betrieben und zahlreiche Gespräche mit Pflegekräften oder GesundheitsexpertInnen geführt, um sich auf ihre Arbeit vorzubereiten. Es wurden Geschichten erzählt, die hinter verschlossenen Türen stattgefunden haben und lieber verschwiegen worden wären. Im Fokus stehen die PatientInnen selbst, aber auch deren Familien oder PflegerInnen, die sich unter schwierigsten Bedingungen um sie kümmerten.
Wie ein Karussell, das nicht aufhört sich zu drehen
So beschreibt eine Betroffene von ME/CFS ihren ausweglos scheinenden Zustand. Alles dreht sich, das Leben zieht an einem nur vorbei. Es ist eine ständige Überreizung der Nerven. Das ganze Nervensystem verträgt Menschen einfach nicht mehr. Alles wird zu viel. Das Bett wird zum Grab. Wenn man nur schlafen könnte. Doch genau das ist dann auch nicht mehr möglich. Es bleiben Gedankenreisen in eine Welt, in der das Leben (wieder) gut ist. Die wichtigste Botschaft lautet "I am here". Man ist noch immer am Leben und hat ein Recht auf Selbstbestimmung.
Fazit
Mit "Wien's Anatomy" wird ein Bewusstsein geschaffen für das bis dato wenig bekannte ME/CFS. Es wird noch immer belächelt, dennoch ist es eine ernstzunehmende Krankheit. Zu beachten sind nicht nur die körperlichen Symptome, sondern auch die seelischen Auswirkungen. Patienten sind oftmals an ihr Bett gefesselt, können am Leben nicht teilnehmen und haben zudem mit wirtschaftlichen Folgen zu kämpfen. Dies wird aus unterschiedlichen Perspektiven von den DarstellerInnen auf der Bühne sichtbar gemacht und auch anhand von Videoeinspielungen von Betroffenen, die von ihrem Alltag berichten. Es regt auf jeden Fall zum Nachdenken an und ist deshalb auch empfehlenswert.
Autorin: Isabel Victoria
FotoCredit: Marcel Urlaub
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